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«The Deer King» – Sehenswertes Fantasy-Spektakel mit Schwächen

Dieses Wochenende ist es soweit: der bereits auf der Animagic angekündigte Spielfilm «The Deer King» erscheint diese Woche in den deutschen und österreichischen Kinos. Ob das Fantasy-Spektakel einen Kinogang wert ist, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Trailer:

Darum geht es in «The Deer King»:

Die Königreiche Zol und Akhafa liegen im erbitterten Krieg, als eine tödliche Krankheit, das „schwarze Wolfsfieber“, die Invasion des übermächtigen Zol stoppt und zu einem scheinbar friedlichen Miteinander führt. Viele Jahre später wird Zol erneut von der mysteriösen Seuche befallen, die als ausgerottet galt. Denn in einem von Wölfen beherrschten Gebiet kommt es in einer Salzmine zu einem folgenschweren Vorfall. Dort müssen Verbrecher ihre Strafen als Sklaven bis zu ihrem Lebensende verbüßen.

Unter ihnen ist der ehemalige Kommandant Van aus Akhafa.

Eines Nachts fallen Wölfe über die Mine her und töten in einem blutigen Gemetzel fast alle Sklaven, Aufseher und Arbeiter. Es gibt nur zwei Überlebende: Van und ein kleines Mädchen namens Yuna entkommen wie durch ein Wunder dem Tod. Der ehemalige Kommandant nimmt sich Yuna an und begibt sich mit ihr auf die Reise. Zufällig erreichen sie ein kleines Dorf, in dem sie zumindest kurzzeitig ein friedliches Leben führen. Denn der Frieden währt nicht lange. Die tödliche Krankheit breitet sich zunehmend aus und bedroht die Menschheit. Die verzweifelte Suche nach einer wirkungsvollen Medizin und Kämpfe um diese, bringen plötzlich Van und Yuna in neue, noch größere Gefahren.

Kritik:

«The Deer King» von Regisseur-Duo Masashi Andō und Masayuki Miyaji ist ein Fantasy-Epos à la «Prinzessin Mononoke», dass sich einer komplexen Grundhandlung bedient und auch optisch viele Anleihen an den Klassiker von Großmeister Hayao Miyazaki besitzt. Dies ist nicht weiter verwunderlich: Andō arbeitete höchstpersönlich an Mononoke, während Miyaji beim Anime-Meilenstein «Chihiros Reise ins Zauberland» Regieassistenz ausüben durfte. Die Vita der beiden Regisseure spricht also klare Bände. An die eben genannten Werke reicht «The Deer King» leider nicht ganz heran. Sehenswert ist er aber allemal.

Mysteriöse Welt

Das liegt in erster Linie an der durchaus spannenden Grundhandlung. Das Geheimnis um die mysteriöse “Wolfsplage”, die scheinbar nur das Volk der Zol dahinrafft, nimmt immer wieder interessante Wendungen und ist eine treibende Kraft des Films. Auch die zahlreichen albtraumähnlichen Visionen unseres Protagonisten Van und dessen Verstrickung mit der Gegenwart sind interessante Gesichtspunkte. Die Welt von «The Deer King» ist gespickt mit allerlei Mythen und einer reichhaltigen Vergangenheit, die die Welt zu jeder Zeit plastisch erscheinen lässt.

Dabei stört es auch nicht, dass sich der Film, nach den temporeichen ersten Minuten, eher gemächlich entwickelt. Trotz der im Kern epischen Geschichte über Schicksal, Verrat und Familie, schlägt «The Deer King» größtenteils leise Töne an. Statt Action und Bombast stehen hier mehr Dialoge, als ausufernde Kämpfe zwischen den beiden verfeindeten Völkern Zol und Akhafa im Vordergrund. Allgemein kommt der Film dabei sehr erwachsen daher. Mit Humor wird größtenteils gespart, dafür stehen komplexe Themen wie politische Intrigen oder die Verweigerung von wissenschaftlichem Fortschritt im Vordergrund. Nicht zuletzt aufgrund des gesteigerten Gewaltgrades richtet sich der Film daher in erster Linie an ältere Zuschauer*innen. Man sollte sich, trotz des entschleunigten Erzähltempos, jedoch nicht zu sehr zurücklehnen: besonders zu Anfang führt «The Deer King» gleich eine Handvoll Charaktere und Konflikte ein, die schnell unübersichtlich wirken können.

Zu viele Vorlagen, zu wenig Zeit

Somit kommen wir zur größten Schwäche des Filmes. Trotz der verlangsamten Erzählweise schafft es «The Deer King» nur spärlich der Fülle an Figuren wirkliche Tiefe zu verleihen. Aufgrund Zeitmangels erscheinen viele, im Kern spannende Charaktere, oftmals nur bruchstückhaft. Und auch wenn einige Dialoge durchaus spannend daherkommen und zum Nachdenken anregen, dienen sie leider zu oft der Übermittlung eines überladenen Plots. Besonders gegen Ende, wenn sich die Ereignisse überschlagen, ist man als Zuschauer*in schnell überfordert. Man merkt zu jeder Zeit, dass «The Deer King» auf einem zweiteiligen Roman mit anschließender Manga-Adaption basiert. Die vielschichtige Welt wird in den knapp 2 Stunden allenfalls angerissen, schafft es aber nicht dessen Komplexität in der Kürze der Zeit einzufangen. Eine Adaption in Serienform hätte an dieser Stelle vielleicht sogar besser funktioniert. Gründe dafür gäbe es genug, denn immer wieder lässt der Film die Qualität der Vorlagen aufblitzen.

Ergreifende Musik 

Nicht unerwähnt sollte der ergreifende Soundtrack von Komponistin Harumi Fuuki bleiben. Dieser schwingt zwischen zärtlichen Bläsern und epischen Streichern und untermalt die unterschiedlichen Szenerien jederzeit stimmig. Fuuki weiß ihre Musik passend einzusetzen und macht den Soundtrack somit zum kleinen Highlight des Films. Auf der großen Leinwand dürfte sich dieser wohl noch besser entfalten, als vor dem heimischen Bildschirmen.

Kurz noch einige Worte zur Animation: «The Deer King» sieht zu jeder Zeit sehenswert aus, man sollte hier jedoch kein animationstechnisches Feuerwerk wie beispielsweise Mamoru Hosuda’s «Belle» erwarten. Ähnlich wie schon die etwas zurückhaltende Handlung, spielt sich die Animation nur selten in den Vordergrund. Bei den fieberhaften Träumen von Van allerdings, lässt Production I.G. hin und wieder die Animation-Muskeln spielen.

Famoses Voice-Over

In puncto Synchronarbeit wurde dafür ganze Arbeit geleistet. Kurz: David Nathan, der zuletzt noch schmerzlich im letzten DBZ-Ableger als grüner Teufel vermisst wurde, ist eine Wucht. Egal ob melancholisch, liebevoll, gebrochen oder wütend: der Wortkarge Van wirkt aufgrund Nathans meisterlichen Sprecheinsatzes jederzeit spürbar. Besonders die Beziehung zu der kleinen Yuna (ebenfalls überzeugend: Elisa von Tettenborn) wirkt in jeder Szene organisch und echt. Bei all den Nebenhandlungen sticht die Vater-Tochter Beziehung somit deutlich heraus – eine klare Stärke des Films. Insgesamt hat Kölnsynchron ganze Arbeit geleistet: jede Sprecherrolle ist top besetzt und überzeugt auf ganzer Linie.

Fazit

Trotz des etwas überladenen Plots ist «The Deer King» ein durchaus sehenswerter Film, der mit tollen Stimmen und interessanter Grundhaltung punktet. Allein aufgrund des bombastischen Soundtracks, der auf der großen Leinwand erst richtig zu Geltung kommt, ist der Film ein Kinobesuch wert. Fans von «Prinzessin Mononoke» und generell erwachseneren Geschichten, die nicht auf Non-Stop Action aus sind, sollten sich den Gang ins Kino ebenfalls überlegen. «The Deer King» ist am Ende ein schönes Fantasy Märchen mit einigen Schwächen, über die man durchaus hinwegsehen kann.